Der Schriftsteller Leo (Javier Bardem) leidet an Hirnatrophie, einer Art von Demenz, und sein Zustand scheint sich rapide zu verschlechtern: Während seine Tochter Molly (Elle Fanning) ihn zu Arztbesuchen begleitet – unter dem Zeitdruck eines später anstehenden beruflichen Meetings – stellt sich heraus, dass Leo der Realität mehr und mehr entgleitet und sich in seinem eigenen Kopf verliert: Er entschwindet immer wieder in Erinnerungen, hinterfragt Lebensentscheidungen und spürt unausgelebten Möglichkeiten nach. Regisseurin Sally Potter, deren Bruder früh an Demenz erkrankte, verarbeitet in „Wege des Lebens – The Roads Not Taken“ Biografisches zu einem flirrend Realitäts- und Zeitebenen verschachtelnden Drama um die Fragilität menschlicher Identität; aufgefangen im berührenden Porträt einer innigen Vater-Tochter-Beziehung.
Alte Patriarchen, schöne Frauen, Feste, Aufstellungen zum Familienfoto, blutige Racheakte und eine historische Gerichtsverhandlung: Willkommen im Universum der sizilianischen Cosa Nostra. Wieder erweist sich der schon 80-jährige Regiemeister Mario Bellocchio als präziser Chronist. Die Mafia ist mit der Politik verstrickt, gleichzeitig versucht der hochrangige Mafioso Tommaso Buscetta (Pierfrancesco Favino) aus dem Exil in Brasilien die blutigen Clan-Fehden in der fernen Heimat zum Stillstand zu bringen. Er stellt sich als Kronzeuge, das System der Cosa Nostra bekommt Löcher, sein Verstoß gegen die „Omertà“ wird ausschweifend gesühnt. Stimmungsvoll katapultiert „„Il traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra““ in die schicksalhaften 80er Jahre zurück, wie man es seit Scorseses „Casino“ nicht mehr auf der Leinwand gesehen hat.
Syriens Bürgerkrieg mag für die meisten weit weg scheinen, für Randa Chahoud war er es nie. Als Tochter einer deutschen Politikwissenschaftlerin und eines Syrers wuchs die Grimme-Preis-nominierte Regisseurin („Ijon Tichy: Raumpilot“) mit dem ständigen Hintergrundgeräusch hitziger Politikdiskussionen auf. Entsprechend persönlich ist ihr Drama „Nur ein Augenblick“ um den in Hamburg gut integrierten Flüchtling und Studenten Karim (Mehdi Meskar), der seine schwangere Freundin (Emily Cox) zurücklässt, um den Bruder aus einem syrischen Foltergefängnis zu retten, und vor Ort in einen Teufelskreis der Gewalt rutscht. Der realistische, dicht erzählte, nur ab und zu symbolisch überladene Trip durch menschliche Höllen stellt dem Zuschauer die verstörende Frage, wie weit persönliche Moral noch reicht, wenn die Gewalt ganz nah kommt.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Jan Schomburgs Liebesgeschichte „Der Göttliche Andere“, Leonie Krippendorffs authentische Coming-of-Age-Geschichte „Kokon“, Brett und Drew T. Pierces Gruseler „The Witch Next Door“ und Andrew und John Erwins Schicksalsrama „I Still Bielieve“.
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