Wes Anderson übertrifft sich in seinem neuen Film „The French Dispatch“ selbst und liefert ein Meisterwerk! Als oberste Inspirationsquelle hält diesmal das amerikanische Magazin „The New Yorker“ her, das 1925 von dem Journalisten Harold Ross mitgegründet wurde. Ross war während des Ersten Weltkriegs in Frankreich unterwegs, wo er eine Militärzeitschrift ins Leben rief. Dort begegneten ihm bereits Autoren, die er später auch für das „New Yorker“ mit ins Boot holte. Ross und sein Redakteur William Shawn sind Vorbild für Andersons Figur Arthur Howitzer Jr. (Bill Muray). Aus „The New Yorker“ wird bei Anderson „The French Dispatch“, Sitz der Redaktion ist dann auch nicht New York, sondern der fiktive französische Ort Ennui-sur-Blasé. Als Howitzer stirbt, versammeln sich seine Reporter im Büro und suchen gemeinsam Erinnerungen und letzte Worte. Anderson wirft derweil einen Blick zurück und erzählt von drei Begebenheiten, denen „The French Dispatch“ in der Vergangenheit Artikel gewidmet hat: Ein inhaftierter Maler (Benicio del Toro) findet in der Wärterin Simone (Léa Seydoux) seine Muse und wird von einem geldgeilen Kunsthändler (Adrien Brody) umworben. Ein Student und Schachgenie (Timothée Chalamet) stürzt sich in eine Revolte und liefert sich mit dem Bürgermeister ein Fernduell. Der Sohn eines Kommissars (Mathieu Amalric) wird entführt und will befreit werden. Die Reporter von „The French Dispatch“ werden unter anderem verkörpert von Frances McDormand, Jeffrey Wright, Elisabeth Moss und Owen Wilson. Natürlich ist Tilda Swinton auch wieder mit dabei. Äußerst erfrischend erweitert Wes Anderson sein inszenatorisches Standardrepertoire, dreht die Kamera in flotten 90-Grad-Schüben um die eigene Achse, fährt aufwändig gestaltete Innenräume ab. Er jongliert mit Farbe und Schwarzweiß, entwirft Zeichentrickpassagen, philosophiert dabei über das Wesen von Muse und Inspiration und diskutiert satirisch Rebellion, Kunst und Kunstbetrachtung.
Tiefgründig liegt der Walchensee im bayerischen Voralpenland. Die in Kalifornien geborene Regisseurin Janna Ji Wonders wuchs dort in einer Hippie-Kommune auf. „Walchensee Forever“ ist ein Portrait des vergangenen Lebensgefühls,das jetzt in zwei Kategorien für den Deutschen Filmpreis nominiert ist. In dieser nachdenklichen Zeitreise über vier Generationen, in der vor allem die matriachale Linie in den Blick genommen wird, wird mit nostalgisch stimmendem Super-8-Filmmaterial das Nacktbaden im See gewürdigt, aber auch die legendäre Kommune 1 um Rainer Langhans und Uschi Obermaier, in der die Mutter aus den USA ein und aus ging. Am Ende liegt der See da wie das magische Auge einer unwiderstehlichen Zentrifugalkraft, mit der es die Frauen ihrer Familie vom See in die Welt hinaustrieb.
Filmemacherin Monika Treut lebte einige Jahre in San Francisco, wo sie sich insbesondere der Subkultur transsexueller Menschen verbunden fühlte. Im Jahr 1999 drehte sie vor Ort den Dokumentarfilm „Gendernauts – Eine Reise durch die Geschlechter“, der u.a. auf den Filmfestivals von Turin und São Paulo ausgezeichnet wurde. Rund 20 Jahre später hat sich Treut auf die Suche nach ihren ProtagonistInnen von einst begeben. Entstanden ist dabei der Film „Genderation“, in dem fünf der zentralen Figuren aus ihrem vorangegangenen Film wieder auftreten und darüber berichten, was sich in den zwei Dekaden bei ihnen privat und in San Francisco selbst verändert hat. Man könnte den interessanten Schilderungen von Annie Sprinkle oder Susan Stryker stundenlang zuhören - auch weil Treut aufgrund ihrer privaten Bindungen zu den Porträtierten sehr intime und persönliche Einblicke erhält.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Laura Gabberts Doku „Ottolenghi und die Versuchungen von Versailles“, Clint Eastwoods Grenzdrama „Cry Macho“, Andy Serkis' Comicschlacht „Venom: Let There Be Carnage“, David Gordon Greens neueste Michael-Myers-Schlachtplatte „Halloween Kills“ und Tomohisa Taguchis Anime-Abenteuer „Digimon Adventure: Last Evolution Kizuna“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der älteste Schüler
Die Filmstarts der Woche
Vorläufige Utopien
Danny Dziuk & Verbündete im Dortmunder Subrosa – Musik 04/24
„Mehr Freude und mehr Liebe, was anderes hilft nicht“
Musikerin Dota über die Dichterin Mascha Kaléko und den Rechtsruck in der Gesellschaft – Interview 04/24
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
Lauter träumen, leiser spielen
Rotem Sivan Trio im Dortmunder Domicil – Musik 04/24
Grenzen überwinden
„Frieda, Nikki und die Grenzkuh“ von Uticha Marmon – Vorlesung 04/24
Orchester der Stardirigenten
London Symphony Orchestra in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 04/24
Ins Blaue
„Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 04/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Mackie im Rap-Gewand
„MC Messer“ am Theater Oberhausen – Tanz an der Ruhr 04/24
Weltweit für Menschenrechte
Teil 1: Lokale Initiativen – Amnesty International in Bochum
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24
Von Minenfeldern in die Ruhrwiesen
Anja Liedtke wendet sich dem Nature Writing zu – Literaturporträt 04/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Im Sturm der Ignoranz
Eine Geschichte mit tödlichem Ausgang – Glosse
„Ich mache keine Witze über die Ampel“
Kabarettist Jürgen Becker über sein Programm „Deine Disco – Geschichte in Scheiben“ – Interview 04/24
Erwachsen werden
„Paare: Eine Liebesgeschichte“ von Maggie Millner – Textwelten 04/24
Spuren und Ahnungen
Stefan Müller und Viola Relle im Dialog in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 04/24
„Nicht nur ärztliche, sondern auch politische Entscheidung“
Teil 1: Interview – Psychiater Mazda Adli über Ängste infolge des Klimawandels
„Ich komme mir vor wie Kassandra“
Jaana Redflower über ihren Roman „Katharina?“ und das neue Album der Gamma Rats – Interview 04/24
Keine Vagabunden mehr
New Model Army in Oberhausen– Musik 04/24
Female (Comic-)Future
Comics mit widerspenstigen Frauenfiguren – ComicKultur 04/24
Soziale Bakterien
Den Ursprüngen sozialer Phobien auf der Spur – Europa-Vorbild: Irland