Kaum ein Feiertag ist so umstritten und wird so unterschiedlich bewertet wie Weihnachten. Die Kleineren freuen sich ungeduldig auf zahlreiche Geschenke, stehen in der Vorweihnachtszeit sogar früh auf, nur um ein weiteres Türchen im Adventskalender zu öffnen, als ob so die Tage schneller vergingen. Die Größeren stürzen sich gestresst mit vollgepackten Tüten die Rolltreppen der Shoppingtempel hoch und runter. Anderen bleibt sowohl Vorfreude als auch Einkaufsstress aus finanziellen Gründen verwehrt. Weihnachten ist das Fest der Liebe, des familiären Zusammenseins. Weihnachten meint konsumgeile Zombies im Kaufhaus.Zwischen Glühwein und gebrannten Mandeln fällt manchem vielleicht noch die Geburt Christi ein und daraufhin wird ein flötenspielender Pummelengel gekauft.Doch die zahlreichen negativen Aspekte dieser Weihnachtsmaschinerie sollen die tatsächlich schönen Momente nicht verderben. Wie zum Beispiel den althergebrachte Brauch der Weihnachtsfilme.
Das Kino an der Uni Dortmund lädt zum alljährlichen Miteinander beim gebürtigen Essener Heinz Rühmann und der „Feuerzahngenbowle“ ein (17.12.) und führt damit die kuriose Tradition fort, dass selbst linke Studenten und Studentinnen zu einem Film aus der Zeit des Nationalsozialismus unbekümmert, Entspannung suchend ein hochprozentiges warmes Getränk genießen und die Fs in Pfeiffer zählen. Das Kino an der Ruhr-Uni Bochum dagegen holt ein klassisches Epos aus dem weihnachtlichen Fernsehprogramm auf die große Leinwand und zeigt „Dr. Schiwago“ als Original mit Untertiteln (18.12.).Den etwas anderen Weihnachtsfilm zeigt das Casablanca in Bochum am 20.12. mit „Nightmare Before Christmas“, und droht dem klassischen Fest eine schaurige Variante an.Doch die Reihe der Weihnachtsfilme wäre nicht perfekt, würde nicht „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ gespielt werden. Das Kino im U in Dortmund ist sich dieser Verantwortung bewusst und führt am 11.12. den bekanntesten Märchenfilm aus den DEFA-Studios vor.
Abseits der Weihnachtsstimmung widmet sich das Endstation Kino der Aufbruch- und Umbruchstimmung in eben diesen Studios. Nach der Flut von Mauerfallbildern und persönlichen Erlebnisberichten zum 25. Jubiläum am 9. November, viel zu oft untermalt von „Wind of Change“, ist es eine wichtige Ergänzung, auch einmal die filmischen Werke dieser Zeit für sich selbst sprechen zu lassen. War es analog zu den Demokratisierungsfilmen der USA die ursprüngliche Aufgabe der DEFA, die ostdeutsche Bevölkerung zu ordentlichen Sozialisten zu erziehen, entstanden im Laufe der Jahrzehnte neben Literaturverfilmungen und den beliebten Märchenfilmen bedeutende Beiträge zur deutschen Filmkultur wie „Die Legende von Paul und Paula“ und „Jakob der Lügner“. Das Endstation Kino zeigt vom 3.-7.12. vier der letzten Produktionen des Filmunternehmens, alle aus dem Zeitraum von 1990/91 und alle unter dem Zeichen des Mauerfalls und der (erwarteten) Wiedervereinigung. Allgemein nehmen die DEFA-Produktionen als Teil der deutschen Filmlandschaft bislang noch eine Außenseiterrolle ein, im Besonderen aber verdienen speziell diese Werke als Dokumente eines der wichtigsten Ereignisse unserer Geschichte mehr Aufmerksamkeit. Und dafür darf man sich auch in all den Weihnachtsvorbereitungen Zeit nehmen. Denn, ohne in einen säuselnden Pastoralsprech verfallen zu wollen, ist das Ende des Jahres auch eine Zeit der Entschleunigung. In diesem Sinne: Gute Unterhaltung im Kino, ein frohes Fest und ein schönes neues Jahr!
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