„Hast du je bemerkt, wie viele Filme Schwangerschaft als Heimsuchung zeigen, als heimtückische Kolonisierung?“, fragte Tilda Swinton als Protagonistin der Adaption des Romans „We Need to Talk About Kevin“. Sie spielte darin die Mutter eines 15-jährigen Amokschützen, die schon bei dessen Anblick im Säuglingsalter regelmäßig eher an „Rosemaries Baby“ oder „Alien“ denken musste. Wenn uns der Floristenverband jetzt wieder wie jedes Jahr vor dem zweiten Sonntag im Mai dazu bewegen will, Bouquets zu Ehren der Frauen zu erwerben, die uns zur Welt brachten, drängen sich auch dem Kinogänger unfreiwillige Assoziationen auf. „Muttertag“, der Slasher-Film aus dem Jahr 1980, ist da nur die offensichtlichste.
Mütter als Schreckensgestalten – aus dieser Verknüpfung hat die Geschichte der bewegten Bilder bislang reichlich geschöpft. Kaum vermeiden lässt sich in diesem Zusammenhang, dass Erinnerungen an „Psycho“ die Vorhänge unseres Filmgedächtnisses beiseite reißen und uns Anthony Perkins' „Mutter“ anspringt. Nie mehr vergessen kann man auch die „other Mother“ der jungen Heldin Coraline im gleichnamigen Stop-Motion-Animationsabenteuer, wenn man einmal gesehen hat, wie dieses spinnenartige Wesen nach den Knopfaugen seines Töchterleins grapscht. Aber auch jenseits von Genre-Beiträgen hat das Kino schon etliche Mütter-Monster hervorgebracht, die uns Schauer den Rücken hinunterjagten. Die Schauspielerin Mo'Nique bekam 2010 als beste Nebendarstellerin in „Precious“ einen Oscar für die Rolle, in der sie ihrer Tochter das Leben zur Hölle macht.
Dass nicht nur die Mutter selbst, sondern andererseits die Fürsorge für den Nachwuchs – insbesondere im Falle einer Alleinerziehenden mit unverarbeiteter Trauer – zum Horror werden kann, zeigt diesen Monat in einer aufwühlenden Mischung aus Schauergeschichte und Psycho-Drama die australische Produktion „Der Babadook“. Das Thema Mutterschaft ist jedenfalls auffällig präsent in diesem Kinomonat. Was eigentlich eine gute Mutter auszeichnet, wem die Verantwortung für ein Kind zugestanden werden sollte und ob Frauen schwanger werden müssen, um einem gesellschaftlichen oder persönlichen Ideal von vollkommener Weiblichkeit gerecht werden zu können – solche Fragen stellen mehrere neue Filme zur Diskussion. Im Drama „Melodys Baby“ verkauft eine junge Obdachlose ihr ungeborenes Kind an eine wohlhabende Ältere, die nach einer Fehlgeburt nicht mehr schwanger werden kann. Regisseurin Susanne Bier gleicht in „Zweite Chance“ die mütterlichen Qualitäten einer Drogenabhängigen und einer Polizistengattin ab. Und „Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ rührt am Tabu von Schwangerschaft und Behinderung.
Eine breit gefächerte Auswahl also. Auch geeignet, wenn man sich mal (wieder) einen Film mit seiner Mutter ansehen möchte. Überhaupt: Wenn man sich schon dem moralischen Druck des kommerzialisierten Muttertags nicht ganz entziehen mag – ein Gutschein für einen gemeinsamen Kinobesuch ist mal eine andere Geschenkidee für den 10. Mai. Statt Blumen.
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