Was sind drei Wochen Urlaub in Bali oder Neuseeland, wenn man die Möglichkeit hat, nach Finnland zu reisen? Als Bernd Gieseking mit diesen Worten den Sonntagabend im Bahnhof Langendreer eröffnet, hat er bereits die ersten Lacher auf seiner Seite, denn wer will schon nach Finnland, wo es immer kalt und dunkel ist?
Unbestritten ist, dass unter den Deutschen das Finnlandfieber grassiert und augenscheinlich hat es auch den Kabarretisten und Moderator getroffen, der eigentlich mehr aus Zufall das Land der 1000 Seen für sich entdeckte. Da er, laut eigener Aussage, oft schneller spricht als er denkt, sah er sich eines Sommers in der Situation, gemeinsam mit seinen Eltern von Minden in Ostwestfalen nach Helsinki zu fahren. Denn anders als der erfolgreich gebliebene Single Bernd hatte sich dessen Bruder in eine Finnin namens Vivii verliebt, ein Grund für die Eltern, „da oben mal nach dem Rechten zu sehen“.
Und so berichtet Gieseking in einem mehr als zweistündigen Programm über seinen Roadtrip quer durch Finnland, mit den Eltern auf dem Rücksitz des kompakten Volvo-Kombis. Eine Geschichte, die so wahr wie skurril ist. In Tampere erkundet Giseking das Phänomen der Saunamütze. Lustig anzusehen sei es, eine befriedigende und eindeutige Antwort, warum es diesen Brauch gebe, habe er jedoch nicht erhalten. Überhaupt, so Giseking, sei die Sauna die Kathedrale des Lebens in Finnland und ist es nicht eigenartig, dass der Finne der meistbewaffnetste Mensch auf der Welt ist, es aber zum Frühstück lediglich ein einziges hölzernes Buttermesser gibt?
Das Finnlandfieber Giesekings ist greifbar Foto: Anna Lenkewitz
Anschaulich bringt Giseking seinem Publikum auch die finnische Sprache näher: „Suomen Moottoripyörämuseo“ zum Beispiel ist das finnische Motorradmuseum. Das Problem an dieser Sprache sei, so der Kabarettist, dass sie so schwer zu erlernen ist, dass selbst der Geheimdienst darum einen Bogen mache. Doch Völkerverständigung läuft nicht nur über die Sprache ab. Giseking berichtet von finnischer Herzlichkeit und Stephen King-Visionen, wenn es um die finnische Mücke geht. Überhaupt deckt der reisebegeisterte Autor fast jede Thematik ab. Angefangen beim finnischen Tango und der obligatorischen „naistenhaku“ (Damenwahl) – ein Punkt, der dem taffen Kabarettisten tatsächlich Angstperlen auf die Stirn treibt. Weiter bis zur finnischen Phantasie, die zum Beispiel Trolle, genannt Tonttus, hervorbringt. Diese werden meist für das Verschwinden von Socken, Schlüsseln und Co. verantwortlich gemacht. Berühmt-berüchtigt ist Gieseking mittlerweile sicherlich in Lahti, wo er in einer Bar tatsächlich ein Alster für seine Mutter mischen ließ. Wer die Finnen kennt, weiß, dass sie weder Sinn in alkoholfreiem, noch gemischten Bier sehen.
Dass der Autor von Finnland begeistert ist, merkt man in jeder Sekunde, die er auf der Bühne steht. Er erklärt die Fahnentage, skurrile Wettkämpfe, die von Gummistiefelweitwurf zu den Weltmeisterschaften im Frauentragen reichen und bringt dies alles schließlich in zwei Worten zusammen: Finnischer Sen.
Nun ist es reichlich schwer, Kritik anzubringen, wenn man mit allem Gesagten übereinstimmt und einen kurzweiligen Abend genießen konnte. Dennoch eine kleine Anmerkung: Aus sicherer Quelle weiß ich, dass Karhu III und Karhu IV („Bär“) zumindest in Helsinki der Vorzug vor der Biermarke Lapin Kulta („das Gold Lapplands“ oder auch „Elchpisse“) gegeben wird.
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