Sie will die Geschichte der Straße hörbar machen: Unter einem weißen Pavillon hält Barbara Pohl eine stilisierte Karte der Alsenstraße und einige Kopfhörer bereit. An ihrem Stand können die Besucher des Alsenstraßenfests mit Kopfhörern den Erzählungen der Anwohner lauschen und damit einen Teil der Abschlussarbeit der Industriedesignstudentin erleben. „Eine Frau hat zum Beispiel erzählt, dass in dieser Straße ihr Exfreund wohnt, den sie jetzt hasst“, sagt Pohl. Die hörbare Karte erzählt so die großen und kleinen Anekdoten, die die Straße ausmachen – und das ist vor allem ein ganz besonderer Zusammenhalt.
„Ich mag das Fest, weil es so unkonventionell ist und man alle Freunde aus dem Quartier sieht“, sagt Mitorganisatorin Rita Thiessen. „Es ist einfach eine tolle Stimmung.“ In diesem Jahr ist sie zum ersten Mal bei der Organisation dabei. „Man hat immer viele Ideen, aber nicht alle kann man letzten Endes auch tatsächlich umsetzen – aber toll wird es immer.“ Die gesamte Organisation wurde von den an der Alsenstraße beheimateten Vereinen, Anwohnern und ehrenamtlichen Mitgliedern des Wohnzimmer Alsenstraße e.V. übernommen. Knapp ein Jahr hat die Planung und Organisation des Festes gedauert. „Es war eine große Anstrengung das Fest in dieser Zeit komplett durchzuplanen“, erklärt Mitveranstalter Björn Boueke. „Aber die Oberbürgermeisterin und die Verwaltung haben super mitgespielt.“
Zum ersten Mal hat das Alsenstraßenfest in diesem Jahr auch die benachbarte Düppelstraße erobert. Dort rutschen nun Bobbycars über den Asphalt. Julius und Lorenz basteln ein paar Meter weiter, am Stand des Bundes für Umwelt und Naturschutz, der in der Alsenstraße beheimatet ist, farbenfrohe Portemonnaies und Windlichter aus Dingen, die sonst im Abfall gelandet wären. „Das hat Spaß gemacht“, sagt er noch kurz, bevor er den Stand verlässt und für andere kleine Bastelfreunde Platz macht.
Er und seine Mutter haben früher ganz in der Nähe gewohnt und noch heute kommen sie gerne her. „Mir gefällt einfach die Vielfalt von diesem Fest und dass es Angebote für Kinder und Erwachsene gibt“, erklärt Lorenz Mutter, Alexandra Kayser. Im Umweltzentrum auf der Alsenstraße werden Kinderfilme und Puppentheater gezeigt, Naturschützer pressen mit den Kindern aus selbstgepflückten Äpfeln frischen Saft. „So ein Fest gibt es in Bochum sonst nirgendwo, das ist schon beispielhaft für die Stadt.“ Sie und ihr Nachwuchs sind bereits auf dem Flohmarkt fündig geworden. Meterweise reihen sich die vollgeladenen Tapeziertische und auf dem Boden ausgebreiteten Decken aneinander. Porzellan-Beagle, 50er-Jahre-Staubsauger und echte Schätzen aus Vinyl werden von den Anwohnern und Freunden der Alsenstraße in neue Hände übergeben. Standgebühren mussten die Trödler dafür nicht zahlen: sie spendeten je eine herzhafte und eine süße Köstlichkeit für das Snack-Buffet. Mit dem Erlös finanziert der Alsenstraßen-Verein das Fest. Noch bis in die späten Abendstunden feiern die zahlreichen Besucher mit veganem Erdbeer-Basilikum- oder Nepali-Milk-Tea-Eis und frisch gedämpften Momos vor den Bühnen die gute Nachbarschaft und das große Engagement der ehrenamtlichen Organisatoren.
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