„Fahrkarten bitte!“, hallt es durch den RE von Dortmund nach Essen. Der Kontrolleur diskutiert mit einer Frau über ihr ungültiges Ticket, man einigt sich auf Nachzahlung. Er schließt mit den Worten: „Ich würde Sie ja fahren lassen, aber ich werde auch heimlich kontrolliert. Das liegt an der Stasi, seit diese blöde Mauer 1990 abgerissen wurde. Die sollte man wieder aufbauen.“ Jemand erwidert in das ungläubige Schweigen, die meisten ehemaligen Ex-DDR-Bürger sähen das wohl anders und die Stasi gäbe es nicht mehr. Er kontert, er würde seit 30 Jahren bei der Bahn arbeiten und wüsste wohl besser, was die Stasi da jetzt so treibe. Bei der Bahn. Und überhaupt. Latenter Rassismus bei „verdachtsunabhängigen Kontrollen“ durch das DB-Personal ist bekannt, neu im Vorurteils-Repertoire ist scheinbar Ossi-Bashing und SED-Paranoia, auferstanden aus Ruinen kruder Angst vor einer kommunistischen Weltverschwörung.
Aber: „Just because you’re paranoid / Don’t mean they’re not after you“. Ein bisschen Paranoia würde uns im Internet nicht schaden, wo der gläserne Mensch längst Realität ist. Für unser Monatsthema DIGITALIS sprechen wir mit DR. THILO WEICHERT, einem von Deutschlands renommiertesten Datenschützern, über Grundrechte im digitalen Raum und die Versäumnisse der Bundesregierung im NSA-Skandal.
Nicht skandalös, aber buchstäblich anrüchig geht es auf unseren GRÜNEN SEITEN zu, wenn aus schmuddeligem Abwasser energieeffizient Wärme gewonnen wird. Für uns riecht das nach einem heißen Tipp in Sachen Nachhaltigkeit.
Multimedial ist auch der Suizid-Monolog SECHS GRAMM CARATILLO, den Jens Dornheim und glassboth als Gastspiel in das ROTTSTR 5 THEATER bringen. Eine namenlose Frau filmt sich beim Sterben und auch das Publikum wird Objekt der Performance und per Eintrittskarte seiner Freiheitsrechte beraubt. Wer es weniger klaustrophobisch mag, dem sei das MICRO!FESTIVAL empfohlen, das vom 7.-9.8. internationales Straßentheater und Weltmusik unter freiem Himmel in Dortmund zelebriert.
Apropos Freiheitsrechte und Überwachungsstaat: Das Ruhrgebiet ist künstlerisch noch immer fest in den Händen von CHINA 8. Wir widmen uns diesmal den dazugehörigen Ausstellungen im OSTHAUSMUSEUM HAGEN und im KUNSTMUSEUM MÜLHEIM. Japanische Farbholzschnitte und deren Kontext präsentiert die Ausstellung GEISHAS – DIRNEN – KURTISANEN im Bochumer Haus Kemnade.
Massenüberwachung war im überschaubaren „Wilden Westen“ eher unsinnig. Die spärlich besiedelte „neue Welt“ ist Schauplatz von SLOW WEST, unserem Film des Monats. Der Neo-Western von Regiedebütant John Maclean hält die Balance zwischen Gewalt und Humor, Spannung und Leichtigkeit. Auch „About a Girl“ versprüht humoristische Leichtigkeit, obwohl es um eine suizidgefährdete Teenagerin geht. HEIKE MAKATSCH, die hier die Mutter spielt, erklärt im Interview, warum sie sich eine Jugend in der gleichgeschalteten Socialmedia-Welt ziemlich anstrengend vorstellt. Gleichgeschaltet...klingt nach einem guten Filmtipp für den DB-Kontrolleur.
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Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24
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Teil 1: Leitartikel – Angst als stotternder Motor der Vernunft
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„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
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Fotografin Annelise Kretschmer im MKK Dortmund – Ruhrkunst 03/24
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Blickwechsel in der Musikgeschichte
Drei Spezialisten der Alten Musik in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 03/24
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Designagentur Hipgnosis in Oberhausen – Ruhrkunst 03/24
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„Ich mach dich froh!“ von Corrinne Averiss und Isabelle Follath – Vorlesung 03/24
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Liebe und Gewalt
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Kuratorin Inke Arns über Niklas Goldbachs „The Paradise Machine“ im Dortmunder HMKV – Sammlung 03/24
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Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24
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Teil 1: Lokale Initiativen – Düsseldorf: Verein stop mutilation gegen weibliche Genitalbeschneidung
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