In den letzten Jahren haben Autoren immer häufiger den Comic als Medium für Sachthemen gewählt. Für „Ghetto Brothers“ haben sich der in New York lebende Fotograf und Journalist Julian Voloj und die Hamburger Illustratorin Claudia Ahlering zusammengetan. In der Graphic Novel, die für beide ein Debüt ist, erzählen sie von den Banden und der Gewalt im New York der frühen 70er Jahre. Vor allem skizzieren sie aber, wie es Benjamin Melendez, dem Anführer der Ghetto Brothers, gelingt, einen Frieden zwischen den Gangs herzustellen, der dazu führt, dass in den nächsten Jahren Konflikte nur noch ohne Waffen ausgefochten wurden. Denn aus diesem Waffenstillstand entstand Hip-Hop, bei dem man sich tanzend, rappend, DJ-end oder sprayend herausfordert, und nicht mit Waffen. Der grafische Stil wirkt flüchtig wie diese so kleine und doch so wirkungsvolle historische Episode (Avant Verlag). Um Banden geht es auch in „Weisse Wölfe“ des Journalisten David Schraven, der mit dem Illustrator Jan Feindt für sein Buch über rechten Terror in Deutschland zusammengearbeitet hat. Das Buch verbindet Einblicke in Schrevens Recherchearbeit mit der Biografie eines jungen Mannes, der sich immer mehr in die rechte Szene verstrickt. Dazwischen gibt es Auszüge aus den „Turner Diaries“ von William L. Pierce, die seit 1978 als Vorlage zahlreicher rechter Terrorakte gilt. Hier wird beschrieben, wie man sich in kleinen Zellen von bis zu vier Mann „führerlos“ gegen den Staat auflehnen kann, wenn auch die Zellen miteinander verbunden sind. Die Propaganda läuft wiederum zu großen Teilen über den Nazirock. Wer da im Falle der NSU noch von Einzeltätern redet, hat die Netzwerkarbeit der Täter nicht verstanden. Die Zeichnungen von Jan Feindt sind so sperrig wie das Thema unangenehm ist. Ein wichtiges Buch, dessen Verlag das gemeinnützige Recherchebüro Correkt!v ist (www.correctiv.org).
Ab ins Reich der Fantasie: Der in Frankreich lebende Andreas Martens Künstler veröffentlicht seit 1978 Comics und ist seitdem als Andreas vor allem im franco-belgischen Raum sehr erfolgreich. Seine achtbändge Serie „Rork“ ist Fantasy im Sinne von Lovecraft, seine feinen Zeichnungen erinnern an alte Stiche, der Seitenaufbau ist hingegen sehr flexibel und bewegt. Nicht nur die Pointen der Kurzgeschichten um Rork sind von Humor durchzogen, wodurch sich Andreas von anderen Lovecraft-Jüngern deutlich abhebt. Nun ist der erste von zwei Bänden der Gesamtausgabe um die haarsträubenden Abenteuer des weißhaarigen Mysterienerkunders erschienen (Schreiber & Leser).
Deutlich von Humor geprägt ist auch die Fantastik von Marc-Antoine Mathieu. Mit seiner Reihe um den Büroangestellten Julius Corentin Acquefacques in einer kafkaesk beklemmenden Welt widmet er sich mit jedem Band einem neuen Aspekt des Mediums und des Erzählens. In „Die Verschiebung“ verschläft Julius seine Geschichte – der Comic beginnt auf Seite 7 und der Protagonist hechelt seiner Story hinterher, während die Nebenfiguren gelangweilt im Nichts herumstochern … und philosophieren. Das ist großartig und urkomisch. In „Richtung“ versucht Mathieu Ähnliches, nur ohne Story. Die Hauptfiguren: Ein Mann und viele Richtungspfeile, denen er folgt. Das ist raffiniert und sieht nach schickem Coffeetable Book aus, kann aber auf ganzer Länge kaum so begeistern wie seine narrativen Werke (beide Reprodukt).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Virtuelle Radikalisierung
„Einsame Wölfe“ mit Florian Hartleb am 21.3. im Correctiv-Buchladen Essen – Literatur 03/19
Neue Strategien gegen rechte Erzählungen
Buchvorstellung „Mit Rechten reden“ im Correctiv-Buchladen in Essen – Literatur 06/18
Der Untergang der SPD 2017
Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen las im Essener Correctiv-Buchladen aus seinem Buch "Die Schulz-Story" – Spezial 05/18
Die Verwandlung
Can Dündar liest am 27.03.2018 aus seinem Buch „Verräter“ im CORRECTIV-Buchladen in Essen – Literatur 04/18
Harter Stoff und guter Tobak
CORRECT!V-Reporter Bastian Schlange liest am 15.8. im Rottstr 5 Theater
Mit Nazicomics in eine aufgeklärte Gesellschaft
Das Recherchebüro Correct!v stellt in der Zeche Carl sein Bookzine vor – Spezial 02/15
Von Minenfeldern in die Ruhrwiesen
Anja Liedtke wendet sich dem Nature Writing zu – Literaturporträt 04/24
Wortspielspaß und Sprachsensibilität
Rebecca Guggers und Simon Röthlisbergers „Der Wortschatz“ – Vorlesung 03/24
Lebensfreunde wiederfinden
„Ich mach dich froh!“ von Corrinne Averiss und Isabelle Follath – Vorlesung 03/24
Das alles ist uns ganz nah
„Spur und Abweg“ von Kurt Tallert – Textwelten 03/24
Spurensuche
Comics zwischen Wirklichkeit, Fantasie und Spektakel – ComicKultur 03/24
Wut ist gut
„Warum ich Feministin bin“ von Chimamanda Ngozi Adichie – Vorlesung 03/24
Unschuldig bis zum Beweis der Schuld
„Der war’s“ von Juli Zeh und Elisa Hoven – Vorlesung 02/24
Verse der Intersektionalität
Audre Lorde-Workshop im Fritz Bauer Forum – Literatur 02/24
Das Drama der Frau um die 50
„So wie du mich willst“ von Camille Laurens – Textwelten 02/24
Gertrude, Celeste und all die anderen
Progressive Frauen in Comics – ComicKultur 02/24
Sprachen der Liebe
„So sagt man: Ich liebe dich“ von Marilyn Singer und Alette Straathof – Vorlesung 02/24
Umgang mit Krebserkrankungen
„Wie ist das mit dem Krebs?“ von Sarah Herlofsen und Dagmar Geisler – Vorlesung 01/24
Schlummern unterm Schnee
Alex Morss’ und Sean Taylors „Winterschlaf – Vom Überwintern der Tiere“ – Vorlesung 01/24
Tanz in der Kunst
Sachbuch von Katharina de Andrade Ruiz – Literatur 01/24
Held:innen ohne Superkraft
Comics gegen Diktatur und Ungerechtigkeit – ComicKultur 01/24
Am Küchentisch
„Kleiner Vogel Glück“ von Martin Mandler – Textwelten 01/24
Federknäuel im Tannenbaum
„Warum Weihnachtswunder manchmal ganz klein sind“ von Erhard Dietl – Vorlesung 12/23
Glühender Zorn
„Die leeren Schränke“ von Annie Ernaux – Textwelten 12/23
Reichtum und Vielfalt
„Stärker als Wut“ von Stefanie Lohaus – Klartext 12/23