Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 31
1 2 3 4 5 6 7

12.554 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

Die schwedische Band "Opeth" ganz entspannt in der Christuskirche.
Foto: Lisa Mertens

Nightmares, Rebellion und Wein

16. Dezember 2012

Anathema und Opeth in der Christuskirche Bochum

Bochum, 23.11. - Fünf Minuten vor der Zeit… fingen die Jungs und das Mädel der britischen Band Anathema das Akustikkonzert in der Christuskirche an. Eine halbe Stunde vor der Zeit hatte sich bereits das disziplinierte Publikum eingefunden. Wenn Anathema und vor allen Dingen die Schwedische Prog-Metalband Opeth sonst eine Menge Langhaariger mit Bier in der Hand - klingt nach Klischee, entspricht aber der Realität - anziehen, trat das Publikum an diesem Abend dem Anlass und dem Ort entsprechend geradezu kultiviert auf. Mit einem Glas Wein in der Hand. Bis in die letzte Kirchenbank schaute es gespannt auf die Bühne und konnte sich bei verblüffend guter Sicht und Akustik auf das gefühlvolle Set der Briten freuen. Die Brüder Cavanagh bestritten mit Gesang und Gitarre den Großteil der folgenden Minuten alleine, Keyboarder Daniel Cardoso und Sängerin Lee Douglas hatten jeweils ein kurzes aber überzeugendes Gastspiel auf der Bühne. Dass das Schlagzeug komplett unberührt blieb, war kein Manko, denn Danny Cavanagh nahm während des Konzert mit seiner Gitarre Percussion-Sounds auf und spielte sie im Loop ab. Gänzlich unbeeindruckt blieben auch Anathema nicht von der „spirituellen“ Location: Eine Kirche sei zwar ein Ort, an dem befohlen werde, was man zu tun habe, aber sie spielen nun einen Song, in dem es um genau das Gegentel gehe. Und legten mit ihrer Version von „Another Brick in the Wall“ los. Wirklich spürbar war ein rebellischer Geist in der Gemeinde allerdings nicht, als das Publikum brav „We don’t need no Education“ mitsang und im Takt mitklatschte. Das tat dem Gesamtkonzert jedoch auch keinen Abbruch. Mit ihrer völlig unaufgeregten Art setzten die Musiker von der Insel ihre sonst verzerrten Songs gekonnt und bedacht in das Konzept „Akustik-Show“ um.

Nach kurzer Umbauphase und mit einem neuen Glas Wein lief der Abend auf seinen Höhepunkt „Opeth“ zu. Ruhiger waren die Alben der Schweden in letzter Zeit geworden und ein wenig vertrackter. Offensichtlich hat die Arbeit mit Porcupine Tree-Mastermind Steven Wilson den Opeth-Mastermind Mikael Åkerfeldt beeinflusst. Da war ein Akkustik-Set durchaus angebracht. Was folgte war ein Abend voller Überraschungen und gutem Entertainment à la Åkerfeldt. Mit dem Pianointro des letzten Albums Heritage kamen die Opeth-Mitglieder auf die Bühne und machten es sich auf den Barhockern bequem. Åkerfeldt witzelte über den Namen der Veranstaltung „Unplugged“, verwies auf seine Verkabelung und meinte, dass „Unplugged“ mittlerweile wohl einfach „the weird name“ für ein Akustikkonzert sei. Auch er konnte sich mit der Institution Kirche nicht so recht anfreunden, war im Grunde jedoch begeistert von der Art des Konzertes. Und speziell vorbereitet hatten sich die Jungs von Opeth. Sie coverten „Var kommer barnen in“, allein weil der Song so schön sei, sie coverten „Solitude“ von Sabbath. Eine Begründung für die Auswahl dieses Songs ist nicht notwendig. Eine wirkliche Überraschung bereiteten Opeth mit der eigens umkomponierten Akustikversion von „Demons of the Fall“. Der sonst so brachiale Song und der Beweis, dass Åkerfeldt wirklich gut growlen kann, erzeugte auch in ruhigem, cleanen Gewand eine düstere Atmosphäre. Åkerfeldt warnte explizit vor Nightmares. Insgesamt legten Opeth ein auf Stimmung bedachtes Set hin und verzichteten darauf, sich vor dem zum Sitzen verdammten Publikum mit unnötigem Bewegungsdrang zum Clown zu machen. Für die witzigen Momente sorgten ohnehin die zahlreichen Anekdoten Åkerfeldts. Der schlaksige Schwede könnte übrgigens den Schnurbart wieder in Mode bringen.

LISA MERTENS

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Chantal im Märchenland

Lesen Sie dazu auch:

6 String Theory
Lee Ritenour lehrt in Bochum Musikgeschichte – Improvisierte Musik in NRW 07/18

Aufklärer alten Schlages
Robert Menasse mit „Die Hauptstadt“ am 9.5. in der Christuskirche Bochum – Literatur 05/18

Beschwörung des europäischen Geistes
„Quo vadis, Europa“ mit EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani am 12.4. in der Christuskirche Bochum

Das Eldorado musikalischen Eigensinns
Die Bochumer Konzertreihe Urban Urtyp setzt auf Sperriges – Popkultur in NRW 12/17

Regen zum Saison-Abschluss
Karsten Riedel am 30.4. in der Christuskirche Bochum – Musik 04/17

Emika vereint alles
Emika am 15.1. in der Christuskirche Bochum – Musik 01/17

Laute Mädchen
Konzerte zum Träumen, Mitwippen und in die Luft springen – Popkultur in NRW 01/17

Numinose Bässe und der Soundtrack zum Runterkommen
Urban Urtyp am 25.9. in der Christuskirche Bochum – Musik 09/16

Der Vibe der Stadt, eingefangen im Kubus
Die Festival-Saison ist vorbei, die Urtyp-Saison beginnt – Popkultur in NRW 09/16

Zerstören, was zerstört
Laibach reißen alle Ideologien in der Christuskirche nieder – Musik 04/16

Stille Ekstase
Cigarettes after Sex in der Christuskirche Bochum – Musik 03/16

Liebe, Lust und ungeübte Knutscher
Navid Kermani liest in der Christuskirche am 9.12. – Literatur 12/15

Musik.

Hier erscheint die Aufforderung!