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In der Ruhe liegt die Kraft. Entschleunigung für den Seelenfrieden
Foto: Mira Moroz

Naseninnenbehaarung im Rückspiegel

30. Januar 2014

Der Stau auf der Autobahn ersetzt das Selbsterfahrungsseminar – Thema 02/14 Mobilität

Jeder Mensch hält sich, mehr oder weniger, für einzigartig. Für ein originelles und originäres Wesen. Da bin ich keine Ausnahme. Zusätzlich glaube ich auch gerne von mir, dass ich ausgeglichen, heiter und menschenfreundlich bin. Und ich kann es ganz und gar nicht leiden, wenn man mich in meiner Selbsteinschätzung stört! Wenn tumbe, unoriginelle und schlecht gelaunte Wesen mich dazu bringen, kurzfristig an meiner Originalität und Ausgeglichenheit zu zweifeln.

Leider passiert mir das manchmal. Im Auto zum Beispiel. Da will ich ganz harmlos eine der vielen Autobahnen benutzen, die von meinen, im Schweiße meines Angesichts erarbeiteten Steuern, gebaut und - mehr oder weniger - instand gehalten werden. Ich habe das durchaus verständliche Bedürfnis, meinem Broterwerb nachzugehen, um den Staat weitere Steuern zur Instandhaltung....Sie wissen schon...na, jedenfalls möchte ich mich im Auto von A nach B bewegen, aus beruflichen Gründen, wohlgemerkt. Um meine Einzigartigkeit und Originalität auf einer Bühne, mal hier, mal dort, einem geneigten Publikum zur Verfügung zu stellen. Und dann kommen Hunderte, gar Tausende zeitgleich mit mir auf die gleiche Idee und verstopfen mir meine Autobahn. Das ist nicht schön. Aber ich bin tolerant, gelassen und verständnisvoll. Ich denke mir: Egal, sollen diese niederen Kreaturen doch ihre Nichtoriginalität ruhig auf meiner Autobahn austoben, sollen sie mir doch mit ihren nichtoriginellen Protzerkarren und ihren Allerweltsgesichtern den Blick und die freie Fahrt versperren. Sie wissen es eben nicht besser.

Ich habe ja das sichere Bewusstsein, dass meine Veranstaltung ohne mich nicht anfangen kann. Also bleibe ich ruhig und heiter. Ich verzeihe der blöden Mutti vor mir, dass sie ihr untalentiertes Balg in die nächste Stadt zur musikalischen Selbstverwirklichung karren muss, ich verzeihe dem nasebohrenden Versicherungsvertreter, dass er sich seine Termine so dämlich gelegt hat, dass er neben mir im Stau stehen muss. Ich sehe milde lächelnd darüber hinweg, dass das gestresste, dauertelefonierende Arschloch hinter mir so dicht auffährt, dass ich den Urwald, der ihm aus der Nase wächst, im Rückspiegel betrachten kann. Als Einzige in diesem unerfreulichen Verkehrsinfarkt weiß ich, dass mir Ungeduld, Wut und Frust nicht weiterhelfen. Ich singe positive Affirmationen, um nicht in schlechte Stimmung zu geraten. Ich höre erhebende, klassische Musik auf meiner feinen Automusikanlage und bin fast so weit, mich geistig mit Hilfe von Bachs Cellosuiten weit über diesen dämlichen Stau zu erheben, da stört ein ständiges, enervierendes Dauerhupen meinen Hörgenuss! Ich bin normalerweise ja ein gelassener, menschenfreundlicher und heiterer...okay und manchmal auch ein sich ständig wiederholender Mensch....aber wenn dieser blöde Wichser in einem der Nebenautos nicht ENDLICH mit diesem tumben Gehupe aufhört! Ich fange an wild um mich herum zu gestikulieren und Stinkefinger zu zeigen und merke plötzlich - das Hupen hat aufgehört. Uups, das war ich wohl selbst, die da versehentlich auf die Hupe....naja, kann ja mal passieren!

Lioba Albus

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