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Meinungsvielfalt ist ohne Medienvielfalt nicht möglich
Foto: Jan Schliecker

Monopoly im Blätterwald

31. Juli 2014

Die Konzentration in der Medienlandschaft gefährdet den Meinungspluralismus – THEMA 08/14 MEDIEN

Bitterkalt war es am 20. Januar vergangenen Jahres, als sich ein Demonstrationszug von etwa 1000 Bürgerinnen und Bürgern vor dem Redaktionsgebäude der Westfälischen Rundschau am Brüderweg in Dortmund bildete. Wütende Reden wurden gehalten. Trillerpfeifen ertönten. Medienministerin Angelica Schwall-Düren und Arbeitsminister Guntram Schneider waren aus Düsseldorf angereist. Doch alles Zittern und aller Zorn halfen nichts. Der WAZ-Konzern, der sich inzwischen Funke-Mediengruppe nennt, wollte die nur ein paar Tage zuvor verkündete Schließung der Zentralredaktion des Traditionsblatts Westfälische Rundschau nicht rückgängig machen. 120 festangestellte Redakteure und viele Freiberufler verloren ihren Job. Die Lokalseiten werden seitdem von der Konkurrenz, den Ruhr-Nachrichten, übernommen. Der überregionale Teil wiederum ist ein Duplikat der WAZ aus Essen. Warum es noch eine Zeitung mit Namen „Westfälische Rundschau“ gibt, ist also kaum verständlich. Eigentlich verdient das Blatt den Namen „WAZ-Nachrichten“.


Aber nicht nur in Dortmund, in vielen Orten des Ruhrgebiets wurden Redaktionen geschlossen. Dass zwei konkurrierende Verlage in einer Stadt jeweils eine Redaktion unterhalten, ist immer mehr die Ausnahme, nicht nur im Revier. Natürlich hat die Konzentration des Zeitungsmarktes schon viel eher begonnen. Aber die Monopolisierung nahm erst in den vergangenen Jahren im Ruhrgebiet richtig Fahrt auf. Früher gab es oft drei verschiedene regionale Tageszeitungen von drei verschiedenen Verlagen am Kiosk zu kaufen. Manche Titel sind verschwunden. Andere, wie das Beispiel der Westfälischen Rundschau zeigt, betreiben frechen Etikettenschwindel und verkaufen die Texte der Konkurrenz, gekleidet im eigenen Mantel.

Doch was ist dagegen zu tun? Manche versuchten sich schon daran, die verkrustete Medienlandschaft in Nordrhein-Westfalen aufzubrechen. Doch diese Versuche wirkten wie Ritte gegen Windmühlen. Am 15. Januar 2002 erschien die Süddeutsche Zeitung mit einem NRW-Teil, der allerdings schon 14 Monate später wieder eingestellt wurde. Die Vertriebskosten überforderten das ehrgeizige Projekt aus München. Die linksalternative taz aus Berlin wagte das Experiment von gleich zwei Regionalausgaben aus Köln und aus Bochum kurz darauf im Dezember 2003, das endgültig erst im Sommer 2007 scheiterte. Seitdem gibt es neben den großen Verlagshäusern nur noch wenig Gegenöffentlichkeit in unserer Region. Blogs wie die Ruhrbarone oder die Revierpassagen bieten Eingeweihten einen zuweilen etwas willkürlichen und unübersichtlichen Mix aus Lokalnachrichten, Kulturkritiken und persönlichen, politischen Statements.

Kleine Fische sind diese Veränderungen am Markt allerdings gegen das, was sich auf dem internationalen Börsenparkett abspielt. Google und Facebook kaufen alle Firmen der IT-Wirtschaft, die ihnen vor die Flinte kommen. Dabei entsteht eine Machtkonzentration, von der andere Mediengruppen nur träumen können. Zwei Firmen bestimmen letztlich, wie die Datenströme auf dieser Welt fließen. Nicht objektive Gesichtspunkte entscheiden, welche Suchergebnisse Google seinem Nutzer bei einem bestimmten Stichwort anbietet. Auch Facebook macht Politik. Das allmächtige soziale Netzwerk toleriert manch heftige Gewaltdarstellung und auch rechtsextreme Positionen auf den Seiten seiner Nutzer. Kritische Töne gegen die Kirche hingegen werden in Windeseile gelöscht. So erging es dem Radiomoderator Jürgen Domian, der seine Beiträge über Papst Franziskus und über die Homo-Ehe nur kurze Zeit auf seiner Pinnwand bewundern konnte.

Gerade also die Medien, die von jüngeren Menschen konsumiert werden, leiden besonders unter der Monopolstellung einiger Weltkonzerne. Wo viel Schatten, ist aber bekanntlich auch viel Licht. Gerade im Internet machen sich interessante Initiativen auf den Weg, neue Formen des Journalismus zu entdecken. Ein Beispiel ist das Crowfunding-Projekt Krautreporter. Wahrscheinlich müssen viele Menschen neue Zeitungen machen und noch mehr Menschen sie dann auch kaufen, damit die Welt nicht nur bei den Breaking-News der Online-Provider abgebildet wird.

Aktiv im Thema
www.vocer.org
www.krautreporter.de


Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter:

www.choices.de/thema + www.engels-kultur.de/thema

Lutz Debus

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