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„Kritischer mit der Welt umgehen“

27. November 2014

„Arche Noah – Über Tier und Mensch in der Kunst“ im Dortmunder U – Sammlung 12/14

Schöne Bilder, aber auch eine Ausstellung über Ökologie und die Missachtung von Lebewesen. Am Anfang leuchtet August Mackes Großer Zoologischer Garten (1913), am Ende müssen die Tiere die riesige schwarze Arche von Christiane Möbus (1990) selber schleppen. Das Museum Ostwall in Dortmund verbindet Kunst- und Tierwelt zu einer dramatischen Schau über Mensch und Natur. trailer sprach mit „Arche Noah“-Kuratorin Katja Knicker.

trailer: Frau Knicker, wird das Ostwall Museum jetzt zum Tierpark?
Katja Knicker
: In gewisser Weise ja. Es gibt eigentlich drei Institutionen, die sich mit Tieren beschäftigen. Zum einen ganz klassisch der Dortmunder Zoo, aber auch das Naturkundemuseum und natürlich das Ostwallmuseum. Zu sehen gibt es Malerei, Zeichnungen, diverse Grafiken, viele Filme, aber auch einige Rauminstallationen. Möglich wurde das durch Leihgaben von Kunstinstitutionen, Museen, Galerien, Künstlern und natürlich auch aus privaten Sammlungen, die uns alle richtig schöne Werke zur Verfügung gestellt haben.

Wie hoch ist der Eigenanteil aus dem Bestand?
Ein Drittel, würde ich sagen.

Wird auch wieder ein Hund mit rosaroten Beinen zu sehen sein?

Katja Knicker
Foto: Presse
Katja Knicker, geboren in Duisburg, bis 2013 Magisterstudium der Kunstgeschichte in Düsseldorf, schon während des Studiums erste Kunstvermittlung im Clemens Sels-Museum Neuss, momentan freie kuratorische Mitarbeit im Museum Ostwall bei Arche Noah“. Sie ist Mitherausgeberin des Katalogs sowie der Publikation „Hans Breder – Kollisionsfelder/ Collision Fields“.

Sie spielen auf Pierre Huyghe an, der zuletzt in Köln zu sehen war. Lebende Tiere hatten wir auch schon hier im Museum, aber in der „Arche Noah“-Ausstellung gibt es die nicht zu sehen. Das würden wir in diesem Umfang nicht wagen und das wäre auch nichts fürs Tier. Man sieht hier immerhin präparierte Tiere. Im Vorfeld hatten wir lebende Tiere einbezogen, das war uns wichtig. Da hat die Frankfurter Künstlergruppe Finger ein Bienenhaus für uns gebaut. Das stand von Mai bis Oktober auf dem Vorplatz des Dortmunder U. Dort sind Bienen ein und aus geflogen und haben städtische Pollen und Nektar gesammelt, und den Honig haben wir dann geerntet und können den nun auch verkaufen.

Also Bienenstiche muss man fürchten?
Nein, auf keinen Fall. Wir haben das Bienenhaus jetzt zwar in der Ausstellung stehen, allerdings ohne Bienen. Die machen nämlich jetzt Winterschlaf.

Warum werden Tiere häufig als Metapher für menschliches Versagen an der Umwelt benutzt?
Es gibt einige Künstler in der Ausstellung, die sich mit dem Thema Naturzerstörung beschäftigen. Die Tiere sind letztlich die Leidtragenden – der Mensch erhebt sich über das Tier. Einerseits machen wir sie zum Kuscheltier und lieben es, andererseits häuten wir es gern, um schöne Handtaschen zu tragen. Oder nutzen es als Sporttier, zur exzessiven Züchtung und als Selbstprofilierung. All das wird hier thematisiert. Einerseits ist uns das Tier sehr nah, es empfindet ähnlich wie der Mensch und hat auch eine ähnliche Physiognomie. Nicht umsonst unterscheiden Wissenschaftler auch in menschliche und nichtmenschliche Tiere. Deshalb kann man an Tieren schön beschreiben, wie der Mensch versucht, die Natur zu beherrschen und die Folgen aufzeigen. Weil das Tier sich nicht wehren kann.

Aber ist dann noch legitim, ausgestopfte Tiere zu zeigen? Ich denke da an die ausgestopfte documenta-Giraffe von Peter Friedl.
Künstler handeln ethisch, aber oft auch nicht. Ich denke, so eine gewisse Grobheit muss man dann auch haben, um diese Dramatik überhaupt an Zuschauer vermitteln zu können. Wir haben z.B. Timm Ulrichs „Wolf im Schafspelz“ dabei, und da kann man sich schon fragen, ob das eigentlich ethisch in Ordnung ist. Aber das ist natürlich auch das bisschen künstlerische Freiheit, das man den Künstlern zugestehen muss.

Eine Welt ohne Raubtiere – wäre das das Paradies?
Ist doch auch mit den Raubtieren ein Paradies – es gehören ja alle dazu.

Ich habe eher an den Menschen als größtes Raubtier gedacht.
Wenn sich das böse Raubtier Mensch etwas umsichtiger verhalten würde, wäre vieles möglich. Aber ich glaube nicht, dass das jemals passiert. Wir können nur hoffen, und das versuchen wir auch mit unserer Ausstellung, dass jeder seine Haltung gegenüber den Tieren hinterfragt. Das ist sicher auch das Ziel der Künstlerinnen und Künstler mit ihren Arbeiten.

Aber das Unbehagen bleibt. Vielleicht Urängste, weil wir ja auch mal gefressen worden sind?
Ich bin kein Verhaltensforscher, ich glaube, dass wir gerne Dinge verdrängen. Wir wissen ganz genau, dass den Tieren Leid zugefügt wird, trotzdem verzichten wir nicht auf bestimmte Artikel oder Lebensmittel. Wir kaufen trotzdem das günstige Produkt, wobei wir genau wissen, was wir damit unterstützen. Ich glaube, dass wir das eher tun, weil es bequem ist und man deshalb auch die Augen zumacht.

Die schöne heile Welt, die die Moderne in Bildern noch verewigt hat, haben wir inzwischen überwunden? Zeitgenössische Künstler zeigen die nicht mehr?
Doch ganz sicher auch. Wir haben ja gezielt nach Künstlern geschaut, die da kritischer mit der Welt umgehen. Aber auch friedliche Bilder können tiefgründig sein, können oft viel tiefer reflektieren. Insgesamt wird die Kunst zunehmend kritischer. Das beginnt ab den 1960er Jahren. Auch das kann man in der Ausstellung sehen. Aber wir haben präsentieren die Werke nicht chronologisch, sondern kombinieren vielmehr ältere und zeitgenössische Arbeiten, auch um den Besucher dabei zu unterstützen, einen Zugang zu finden, Schlüsse zu ziehen und sich die Werke selbst zu erschließen.

„Arche Noah“ | bis 12.4. | Ostwall Museum, Dortmund | 0231 502 47 23

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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