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Fernandel zwischen Aufnahmen
Aus „Don Camillo“

Kirche gegen Kommunismus

28. April 2014

Die „Don Camillo und Peppone“-Filme in der Retrospektive – Portrait 05/14

Mittlerweile sind mehr als 60 Jahre ins Land gezogen, seit die erste Giovannino-Guareschi-Verfilmung „Don Camillo und Peppone“ international für Schlagzeilen sorgte. Die gedruckte Vorlage ist nochmal ein paar Jährchen älter und sowohl der Schriftsteller als auch die beiden kongenialen Filmverkörperungen seiner Figuren, Fernandel und Gino Cervi, sind bereits mehr als 40 Jahre tot. Dennoch sind die Abenteuer des streitsüchtigen Dorfpfarrers Don Camillo und des kommunistischen Bürgermeisters Peppone einfach nicht totzukriegen. Jahraus, jahrein werden die insgesamt fünf Schwarz-Weiß-Filme, die mit Fernandel und Cervi in den Jahren von 1952 bis 1965 entstanden, auf Programmplätze diverser Fernsehsender gesetzt, und auch in verschiedenen DVD-Editionen haben die turbulenten Kapriolen längst ihren Siegeszug in die bundesdeutschen Wohnzimmer angetreten. Bei dieser anhaltenden Popularität war längst überfällig, dass diesem Phänomen auch einmal aus filmhistorischer Sicht nachgegangen wird. Reiner Boller, der bereits sehr gut recherchierte Bücher über Karl-May-Star Lex Barker oder Trash-Ikone Brad Harris geschrieben hat, nahm sich dieser lohnenswerten Aufgabe an.

Dazu begab er sich auch auf eine Recherchereise in die norditalienische Po-Ebene, wo seinerzeit in dem verschlafenen Städtchen Brescello die fünf Filme gedreht wurden. Auch heute noch zeugen Cafés, Museen und lebensgroße Statuen von Fernandel und Cervi von der Bedeutung, die die Filmreihe speziell für diese Gegend nach wie vor innehat. Reiner Boller traf sich mit den beiden Kindern des „Don Camillo“-Erfinders Giovannino Guareschi, Alberto und Carlotta, die damals die Dreharbeiten miterlebten und begeistert aus dem Nähkästchen plaudern. Der Großteil des fast 400 Seiten starken Buches widmet sich den Filmklassikern, zeichnet minutiös deren Entstehungsprozess nach (hierbei erfährt man beispielsweise einiges über Frank Capras Interesse an dem Stoff), rekapituliert die Filmhandlungen und vereint ein internationales Potpourri an Filmkritiken, die nicht selten Blasphemievorwürfe erhoben und insbesondere mit der Darstellung eines komischen Priesters durch Fernandel haderten. Dass es unter dem Titel „Don Camillo und die Jugend“ 1970 beinahe noch einen sechsten Film gegeben hätte, dürften die wahren Fans natürlich wissen. Boller zeichnet hier aber ebenfalls sehr anschaulich nach, was während der Dreharbeiten alles passierte und weswegen man schließlich nur einen Film mit völlig anderen Darstellern zustande brachte, der aber in Deutschland bislang nicht gezeigt worden ist.

Dreharbeiten. Aus: „Don Camillo“

Auf rund einhundert Seiten geht Boller im Anschluss noch den Filmkarrieren von Fernandel (1903-1971) und Gino Cervi (1901-1974) nach, die auch außerhalb der Filmreihe in jener Zeit europäische Kinostars waren. Fernandels Bekanntheit und Beliebtheit war dabei ungleich größer, weswegen ihm bei diesen abschließenden filmbiografischen Notizen der weitaus größere Teil gewidmet wird. Reiner Bollers schnörkelloser und gut lesbarer Stil schafft es dabei problemlos, den Leser und Fan wieder ganz eintauchen zu lassen in „die kleine Welt“ des Don Camillo, was schließlich Lust macht, sich die Filme bei nächstbester Wiederholung endlich einmal wieder anzusehen. Wenn man sich schließlich die Auswahl-Filmografien der beiden Protagonisten aus dem Anhang zu Gemüte führt, wird man zudem schnell erkennen, dass deren weitere filmische Werke kaum mehr öffentlich zugänglich gemacht werden, weder im Fernsehen noch auf DVD. Das unterstreicht zwar zum einen die immense Popularität der „Don Camillo“-Filme, denen dieses Schicksal nicht zuteil wurde, zeigt zum anderen aber auch die Engstirnigkeit der Programmverantwortlichen auf, die dadurch so manche Perle in den Archiven verstauben lassen.

„Don Camillo und Peppone – Die Filme mit Fernandel und Gino Cervi von 1952 bis 1970“ von Reiner Boller
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag Berlin 2014, ISBN 978-3-86265-363-8, 19,95 EUR (D), 384 Seiten, mit mehreren Farbteilen, Klappenbroschur

Frank Brenner

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