Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 31
1 2 3 4 5 6 7

12.554 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

Am Anfang war das Wort von Moderator Sebastian23
Foto: Benjamin Trilling

Kiffen mit Petrus

27. Januar 2015

Poetry Slam-Special „Himmel und Hölle“ am 26.01. in der Reinoldikirche Dortmund

Der Slammer Sim Panse hat damit am Anfang seine Probleme: In der Reinoldikirche hallen seine schnellen Verse für Sekundenbruchteile leicht nach, was ihn bei seiner Performance zunächst ein wenig irritiert: „Entschuldigung, diese Halle macht mich echt...sorry...“ Nach kurzer Zeit läuft' s dann aber. Mit dem Künstler-Team „Brave New Word“ steht der Bremer Slammer oft für sozialkritische Töne. Mit einem solchen Beitrag gewinnt er schließlich (nachdem er sich an die Akustik in der Halle gewöhnt hat) auch das Finale des „Himmel und Hölle“-Slams.

Ungewohnt ist die Halle auch für Moderator Sebastian 23: „Normalerweise ist die Decke nicht so hoch bei Poetry Slams.“ Noch überraschender schien es, eine Kirche so voll zu sehen. Entsprechend ergänzt er die obligatorische Slam-ModeratorInnen- Frage an das Publikum, wer denn zum ersten Mal beim Slam sei: „Wer ist zum aller ersten Mal in der Kirche?“ Ein Großteil der rund 450 Gäste hebt die Hand.

Pommesgabel für Satan

Für die VeranstalterInnen ist diese Provokation gewollt. Denn anlässlich des Themenjahrs „gotteswort – Reformation. Bild. Bibel“ wollten St. Reinoldi und das Evangelische Erwachsenenbildungswerk vor allem auch jüngere Nicht-KirchengängerInnen anlocken. Nur das Slam-Motto des Abends gab man zumindest vor: „Es ist ein Themen-Poetry-Slam. Es wird also immer auf die eine oder andere Weise um die Themen ,Himmel und Hölle' gehen“, so Sebastian 23. Das griffen die SlammerInnen ganz unterschiedlich auf. Micha-El Goehre nimmt zunächst Partei für die eine Seite: „Ich bin eher so das Team Hölle. Das liegt an meinem Musikgeschmack. Ich höre Heavy Metal.“ So liest der Bielefelder Metal-Aficionado das „Tagebuch eines Black-Metal-Fans“ , das heißt, viel Dosenbier trinken, laut gröhlen und es wird fleißig „Satan gepriesen“. Das läuft natürlich auch in der Kirche nicht ohne finale Pommesgabel.

Es gab nur Becks. So viel zum Thema Himmel“

Hinnerk Köhn lotet dagegen die Vorstellung vom Himmel auf ganz eigene Art und Weise aus. Sein „lyrisches Ich“ hat es nach einem Verkehrsunfall mit Petrus an der Himmelspforte zu tun, „Sachbearbeiter Nr. 1“ da oben. Der raucht, säuft („nur Becks – so viel zum Thema Himmel“) und kifft vor allem gerne. Mit dem Szenario kommen glücklicherweise auch satirische Anspielungen nicht zu kurz – etwa wenn Petrus erklärt, warum so viele Pegida-Nazis die Hölle dem Himmel vorziehen: „Zu viele Moslems hier.“

Vor allem in den Finalbeiträgen wird die Hölle dann irdisch verortet. So etwa in Sim Panses Sieger-Text: „Es geht um Krieg, also um Hölle.“ Die Kriegshetze, die er in seinen Sprechsalven performt, ist leider brandaktuell: „Höret uns, ihr Scharen / zögert nicht und kommt geschwind, / Krieg gegen die Barbaren!“ Zappendüster ist es dann auch in den Versen der Wiener Slammerin Adina von Möchtegern: Raub, Plünderung, Mord, Krieg – „was ist los mit dieser Welt?“, fragt sie empört. Zumindest bei Adina gerät die Sozialkritik gegen Krieg und Ausbeutung nur leider zum ultra-expressionistischen Rundumschlag gegen Egoismus und Gier. Ihre Lösung? Ein Blick in den Himmel: „Woher kommt meine Lösung?“ So was ist dann aber doch nicht so überraschend in einer Kirche.

Benjamin Trilling

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Chantal im Märchenland

Lesen Sie dazu auch:

Wortgewaltig
Jean-Philippe Kindler in Hattingen

„Literatur kann Menschen mobilisieren“
Marock Bierlej über Selfpublishing, den Rausch und Alternativen zum Lesen – Literatur 01/19

Vulgär mit Verstand
Felicitas Friedrich eröffnet am 19.07.2018 die trailer-Wortschatzbühne auf Bochum Total mit geistreichem Poetry Slam

Dates im Sandwich-Toaster
Lesebühne „Wir müssen rEDEN“ am 19.7. im Bochumer Café Eden – Literatur 07/17

Menschen, Leute, Emotionen
Patrick Salmen liest aus „Genauer betrachtet sind Menschen auch nur Leute“ im Bahnhof Langendreer – literatur 05/17

Wenn ich groß bin, werde ich Fisch
„Biodiversity Science Slam“ am 12.12. im Bochumer Blue Square – spezial 12/16

Ficks und Flops
NRW-Slam-Finale 2016 am 15.10. im Schauspielhaus Bochum

Auskotzen für eine bessere Welt
„Grenzen-los“-Slam am 29.9. in der Essener Kreuzeskirche – Poetry 09/16

Von Krimis, Western und Slam-Poetry
Literarisches aus Bochum, Essen und Gelsenkirchen – Lesezeichen 10/16

Wider die Tchiboisierung des Lebens
Patrick Salmen zündet Slam-Feuerwerk im Essener Grend – Poetry 09/16

Rote Ruhr und Kulturkanal Herne
Literarisch-Historisches aus Herne, Mülheim und Sterkrade – Lesezeichen 09/16

Poetisch durchgeschleust
Jule Weber gewinnt Slam-Duell auf dem Kulturkanal – Literatur 08/16

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!