Machtvoll, stolz, volksnah und verbrüdernd dient Beethovens 9. Sinfonie stets dem Besonderen. Vor etwas mehr als 40 Jahren wurde der Chorsatz zur Europahymne erklärt. 1989 war das Finale wichtiger Bestandteil der Diskussion um eine mögliche neue Nationalhymne des wieder vereinigten Deutschland. Vor mehr als zehn Jahren wurde die Originalpartitur der Neunten zum Weltgedächtniserbe der UNESCO erklärt. Zur Popularität des letzten Satzes trug auch maßgeblich die seichte Pop-Variante des „Song of Joy“ bei – herausgebracht zum 200. Geburtstag des Komponisten im Jahre 1970.
Als Leonard Bernstein 1989 kurz nach dem Mauerfall, der auch just Geburtstag feierte, in Berlin die Götterfunken funkeln ließ, sangen die Choristen die Bernsteinsche Textvariante „Freiheit, schöner Götterfunken“. Der Dirigent schrieb damals dazu: „Ich glaube, dies ist ein Augenblick, den der Himmel gesandt hat, um das Wort Freiheit immer dort zu singen, wo in der Partitur von Freude die Rede ist ... und ich bin sicher, dass Beethoven uns seinen Segen gegeben hätte.“
Diese Idee basiert auf einer Vermutung: Schiller hätte neben der Freude auch eine Ode an die Freiheit geschrieben. Wer sich in diese Problematik einarbeitet, lernt wie in einem guten Krimi Augen- und Ohrenzeugen kennen. Sogar ein prominenter Zeitzeuge wie Turnvater Jahn bestätigt das konspirative Treffen mit einem Einarmigen, einem ehemaligen Schreiber Schillers, der bezeugte, die Zensur habe den ursprünglichen Freiheits-Text in Freude verwandelte – sogar die Existenz des invaliden Schreibers lässt sich nachweisen. Ein Literat fand ein schönes Bild für diese Meta-Ebene der großen Sinfonie: „Die Aufführungspraxis hält das Werk im Repertoire, aber die Geschichte will unentwegt ihr Wort im Schluss-Chor mitsprechen: So rumort es, inmitten der Musik, von Unerlöstem. Von unentdeckten Geheimnissen. Von ganz neuen Ursprüngen.“ Wie in Duisburg.
„Oh Freunde, nicht diese Töne, sondern lasst uns angenehmere anstimmen, und freudenvollere.“ Ein Schelm, wer da nicht an die Miseren der Duisburger Philharmoniker und ihr schönes neues Refugium, die Mercator-Halle, denkt. Ein Tal der Tränen, was da an akzeptierten Bausünden zu spät angeprangert wurde, welch unglücklicher Hickhack um Garantien und Rechte, wie stets auf Kosten der Bürger und ganz konkret zu Lasten der Kunst. Im dritten Jahr stecken die Musiker und das leidgeprüfte Publikum im Theater am Marientor, die Abonnentenzahl schmilzt – noch langsam. Die Kosten für die Bausanierung des relativ neuen Gebäudes schwellen dagegen unglaublich schnell an, die Gutachter reiben sich die Hände. Deshalb rufen die Philharmoniker, zwei Chöre und vier sensationelle Solisten gemeinsam aus: „Seid umschlungen, Millionen!“ Der Vater über dem Sternenzelt soll es richten – hoffentlich bald.
4. Philharmonisches Konzert | Mi 19.11., Do 20.11. 20 Uhr | Theater am Marientor, Duisburg | www.duisburger-philharmoniker.de
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