Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.558 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Freut sich auf neue Entdeckungen im März: Lisa Mertens

Entdecken ohne Bedingungen

26. Februar 2015

Kino ist, was du draus machst – Vorspann 03/15

Was wir in den letzten Monaten schon alles waren und was wir noch hätten sein können: Sydney, Peshawar, Borno, Sinai, Kopenhagen und alle Unterdrückten und Hungernden dieser Welt. Waren wir in der Masse aber nicht. Die meisten von uns waren Charlie. Selbst diejenigen, die Charlie mal ganz gerne zum Teufel gewünscht hätten, waren plötzlich Charlie. Es mag vielleicht pervers klingen, dass uns die zwölf Toten bei dem Anschlag auf Charlie Hebdo zu mehr Social-Media- und realen Aktivitäten bewegten als über 130 ermordete Schüler in Pakistan. Aber so funktioniert nun einmal Betroffenheit. Was näher an unserer Lebensrealität ist, geht uns auch näher.

Bei der Berlinale dagegen räumten auf Film gebannte Lebensrealitäten ab, die der unsrigen fern und fremd erscheinen. Der Blick ging über den großen Teich, verschmähte jedoch die Staaten und schwenkte lieber gen Süden. Jayro Bustamante arbeitete sich in die Kultur der Kakchiquel-Maya-Frauen, Patricio Guzmán sinnierte über die chilenische Geschichte und Pablo Larraín zerrte die schwärzesten Schäfchen unter den katholischen Gottesmännern auf die Schlachtbank. Im Mittelpunkt der Berlinale stand jedoch „Taxi“, der Film des iranischen Filmemachers Jafar Panahi, der mit Berufs- und Ausreiseverbot bestraft wurde und dennoch immer Wege findet, vom wirklichen Leben im Iran zu zeugen. Die Jury zeigte ihre Wertschätzung für den heiter-bis-ernsten Film, der auf abenteuerliche Weise auf die Berlinale gelangte, indem sie dem Statement für unbedingtes Kino und Dokumentation den Goldenen Bären verlieh. Erste Muffeleien ließen jedoch nicht lange auf sich warten. Kakchik... – bitte was? Chile juckt nur beim Fußball. Iran? – Jaja, wissen wir langsam. Wer keine Lust hatte auf „bildungsbürgerliches Stirnfaltenkino“, konnte sich zur Weltpremiere der lebensnahen 50 Facetten von Mr. Grey die Seele streicheln oder prügeln lassen.

Hakeleien zwischen Popcorn- und Kunstkino hin oder her, Kino soll natürlich unterhalten. Erzwungene Betroffenheit ist schließlich so sinnvoll wie ein Share-Button gegen den Welthunger. Doch der Blick in fremde oder entfremdete Lebenswelten erzwingt nichts. Nach ca. 90 bis 160 Minuten geht das Licht im Kinosaal an und es bleibt allein uns überlassen, was wir aus dem Gesehenen machen. Im März können wir hervorragend mit neuen Einblicken und unseren Interessen experimentieren. Im Rahmen der Jüdischen Kulturtage zeigen die Essener Filmkunsttheater vier Seiten einer Kultur, die so lange Teil der unsrigen ist, wie wir von einer eigenen Kultur sprechen können, trotz aller Vorurteile und schlimmster Verfolgung. Die vielen von uns dennoch entfremdet ist. Das sweetSixteen in Dortmund dagegen widmet sich in der Reihe „Architektur und Film“ dem Leben in China. Unter dem Motto „MegaCities China – Kampf um urbanen Lebensraum“ ergibt sich eine neue Sichtweise zu einem Thema, das in anderer Dimension auch uns betrifft. Wir müssen nicht alles sein, nicht Beijing, nicht Tel Aviv, nicht das palästinensische Tira. Wir können im März ganz einfach ins Kino gehen, Neues entdecken, Bekanntes erleben und werden den Besuch zu dem machen, was uns bewegt.

Lisa Mertens

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Arthur der Große

Lesen Sie dazu auch:

„Viel Spaß beim Film“
Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24

Was läuft im Kino?
Über die Programmierkunst echter und gespielter Helden – Vorspann 03/24

Prognose: Lachstürme
Die Komödie findet endlich ins Kino zurück – Vorspann 02/24

Emanzipation und Alltag
Starke Protagonistinnen im Januar – Vorspann 01/24

Was vom Kinojahr übrig bleibt
Rückblick 2023 – Vorspann 12/23

Lost Place – Found
Vor 10 Jahren feierte das Hamburger Rialto ein zweites Leben – Vorspann 11/23

Künstler:innenportraits im Oktober
Neue Filme von Margarethe von Trotta und Wim Wenders – Vorspann 10/23

„Barbenheimer“ goes Artiplex
Lösen sich die Kinounterschiede auf? – Vorspann 09/23

Die Geschichte eines „Wochenendes“
Herr Schier und seine Agenturen – Vorspann 08/23

Kein Sommerloch in Sicht
Mit Blockbusterkino und Open Air – Vorspann 07/23

Cannes kann
Neue Werke von Hausner und Glazer an der Croisette – Vorspann 06/23

Die Scheiben des Kinos
Vom Zauber der Gebäude und Menschen – Vorspann 05/23

Film.

Hier erscheint die Aufforderung!