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„Viel Lärm um nichts“
Foto: Arno Declair

Der Flüchtling als Dekoration

26. Februar 2015

„Viel Lärm um nichts“ am Schauspielhaus Bochum – Theater Ruhr 03/15

Der Adel fühlt offenbar so: Während der Herzog von Windsor davon träumte, der Tampon seiner Camilla zu sein, will der Blaublüter Benedikt am liebsten als Tropf am Arm seiner geliebten Beatrice hängen. Sein Herumnörgeln an der Ehe, seine Junggesellenverklärung, alles wie weggeblasen. Plötzlich vergöttert dieser glatzköpfige Beau die mit Infusionsständer samt Halskrause herumschleichende Beatrice (Xenia Snagowski). Wie es dazu kam, sollte man allerdings an diesem Abend nicht fragen. Denn die Inszenierung von Shakespeares Liebeskomödie „Viel Lärm um nichts“ am Schauspielhaus Bochum hat außer einem missratenen Konzept und konturlosen, flachen Figuren kaum etwas zu bieten. Dass Regisseur Lukas Langhoff sich mit dem Haus überworfen hat und Dramaturg Olaf Kröck den Abend übernommen hat, ist allerdings nur Teil der Erklärung.

Auf einem Rundhorizont erkennt man ein Gemälde mit Flüchtlingen in zwei Booten auf hoher See, davor erhebt sich die Fassade eines zweistöckigen Hauses mit zehn Türen, eine Mischung aus Sanatorium, Schönheitsfarm und Urlaubsresort. Geleitet wird die Klinik von Leonato (Bernd Rademacher), einem begriffsstutzigen Knochenbrecher mit Hang zu Schönheits-OPs, den er an seiner Tochter Hero (Juliane Fisch) austobt. Bei ihm ist ein Trupp Soldaten einquartiert, angeführt von dem gehbehinderten Don Pedro (Raiko Küster), der kommandeursmäßig rumbrüllt. Ihm zur Seite stehen Gipsbeinträger Claudio (Nicola Mastroberardino) und der alerte Benedikt (Daniel Stock), beide im Rollstuhl. Deren an Intrigen, Täuschungen, Wendungen, an Pathos und Kitsch reiche Liebe zu Hero und Beatrice, die das Zentrum des Stücks bildet, ist zusammengestrichen und wird ausgespielt gegen den Rassismus des Militärpersonals gegenüber Flüchtlingen. Eine groteske Konzeption, die billigem Moralismus entspringt: So lässt sich noch jeder Komödie das Verfehlen des Eigentlichen vorwerfen. Andererseits dient so das Asyldrama als Hintergrund-Deko fürs eigene Aufklärungsgehabe. Würde Intrigant Don John (Roland Riebeling) zu Beginn auf der Vorbühne nicht kräftig in die Rassismuskiste greifen und über Migranten herziehen, bliebe der Zusammenhang in der Luft hängen.

Ansonsten passiert in dem Sanatorium, was angeblich in solchen Etablissements passiert: Man spielt eine absurde Tischtennispartie, hopst auf dem Pezzi-Ball, schleppt seine Infusionsflaschen mit sich herum – und kalauert sich an Shakespeare entlang. Kein blöder Witz, der nicht eingestreut, keine Demontage, die nicht ins Werk gesetzt wird. Fazit: Der Westen ist amoralisch und böse, sein Personal besteht aus Knallchargen – was beim Zuschauen das Interesse an den Figuren nach kürzester Zeit erlahmen lässt. Wenn Claudio am Ende vermeintlich Hero als Hure entlarvt, richtet er natürlich ein Massaker an und danach hocken alle bedröppelt da. Die Bilder der Inszenierung sind selbst Klischees von den Theaterwühltischen der Nuller Jahre, der Ramsch des ironischen Jahrzehnts und seiner moralischen Arroganz.

„Viel Lärm um nichts“ | R: Olaf Kröck | Mi 4.3., Di 10.3., Di 24.3. 19.30 Uhr | Schauspielhaus Bochum | 0234 33 33 55 55

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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