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Fern (links) und Adrienne Davis leben im Wohnwagen und auf der Bühne
Foto und Video: Rika Talsinn

Vom Wohnwagen auf die Bühne

23. Dezember 2014

Daughters of Davis mit Folk und Soul im Grammatikoff – Musik 12/14

Den Job kündigen, allen Besitz verkaufen und davon einen alten Van erwerben, der zu gleichen Teilen aus Benzin und Rost besteht. Was wie der Beginn eines Roadmovies klingt, beschreibt tatsächlich den Neuanfang von Adrienne und Fern Davis aus England. Vor drei Jahren gaben sie ihr bisheriges Leben auf und zogen von ihrem festen Wohnsitz in den alten Wagen, der die Schwestern fortan bis zu seinem endgültigen Ableben durch das Land tragen würde. Die Entscheidung fällten sie, weil der Wunsch, sich ganz der Musik zu widmen, sie nicht mehr loslassen wollte. Seitdem haben die Daughters of Davis zwei Alben veröffentlicht und sind unter anderem als Vorgruppe von Rebecca Ferguson und The Eels in ganz Europa aufgetreten. Am 22. Dezember absolvieren sie den letzten Auftritt ihrer Europatour, in deren Rahmen sie auch in Unna und Duisburg spielten.

Am 19. Dezember war das Grammatikoff gut gefüllt; das Publikum aus Jugendlichen, jungen und älteren Erwachsenen kam extra für das britische Duo nach Duisburg. Gemeinsam mit Ferns Verlobtem Kyle Barns begannen Daughters of Davis ihr Konzert leicht verpätet, aber gut gelaunt. Adrienne hatte sich für den Anlass extra ein paar Brocken Deutsch angeeignet, und Fern hörte zumindest nicht auf, das deutsche Bier zu loben und darauf zu achten, dass ihr Glas nie leer wurde. Mit ihrer unbeschwerten Art erreichten die Schwestern von Anfang an das Publikum und hatten keine Probleme, für heitere Stimmung zu sorgen.

Die Britinnen, die ihre Musik als Mischung aus Soul und Folk beschreiben, beschränkten sich instrumental auf Adriennes Gitarre, Cajon gespielt von Kyle sowie Ukulele und Tamburin, die im Wechsel zum Einsatz kamen. Einfache Rhythmen mit eingängigen Riffs zeichnen die Lieder aus. Dabei hat beinahe jeder Song einen hohen Mitwipp-Faktor, und es gab an diesem Abend kaum einen Fuß, der sich nicht zumindest ab und zu zur Musik bewegte. Auf der Bühne herrschte zusätzlich ununterbrochen Bewegung, denn beiden Mädchen war problemlos anzusehen, dass sie in ihrer Musik aufblühen und Spaß bei jedem Auftritt haben. Fern, die seltener durch ein Instrument in ihren Bewegungen eingeschränkt war, variierte ihre Performance durch Klatschen, Schnipsen und einfaches Tanzen, das zwar artistisch nicht erwähnenswert, dafür aber authentisch und sympathisch rüberkam. Die Davis-Schwestern haben sehr unterschiedliche Stimmen, beide kräftig und emotional, Ferns Stimme dafür mit höherem Wiedererkennungswert und mehr Tiefgang. Mit diesem Wissen kombinieren sie ihren Gesang zweistimmig und mit Soloparts, wobei sie auf die Gleichberechtigung der Stimmen achten.

Daughters of Davis sorgten für gute Stimmung im Grammatikoff, Foto: Rika Talsinn

Die Lieder der Singer-Songwriterinnen handeln häufig von der folgenreichen Entscheidung, ein geordnetes Leben mit gesicherter Existenz gegen den steinigen Weg als Musiker einzutauschen. So singen sie viel von Ängsten, Träumen und auch banalen Dingen wie der Situation, zu zweit jahrelang auf engstem Raum zu leben. Die Schwestern sprachen auch an diesem Abend im Grammatikoff gern und viel von ihren Lebensumständen besonders in der Anfangszeit, in der sie oft so wenig Geld hatten, dass sie nicht mehr genug zu essen kaufen konnten. Coverversionen von britischen Musikern wie Ellie Goulding und Ed Sheeran waren ebenso Teil des Programms wie das obligatorische Michael Jackson-Cover. „Billy Jean“ erweiterte Michael-Fan Adrienne um ein selbst arrangiertes Medley. Während besonders die Interpretation von Ed Sheerans aktueller Single „Thinking Out Loud“ aufgrund der Ähnlichkeit im Musikstil mehr wie eine kraftlose Kopie erschien, verfremdeten Daughters of Davis besonders Michael Jacksons Songs und machten spannende Akustikversionen aus ihnen. Mit Weihnachtsliedern wurde das Publikum bis zu den letzten zwei Stücken verschont – und zeigte sich darüber auch sehr erfreut. Dennoch wurde auch bei „Rocking Around The Christmas Tree“ und Mariah Careys „All I Want For Christmas“ zum Schluss bereitwillig mitgeklatscht. Ferns spontane Idee, das Tamburin in einem Song dem erstbesten Zuschauer in die Hand zu drücken, entpuppte sich als große Überraschung, als der Herr zur Freude aller mit beeindruckenden Fähigkeiten an seinem Instrument überzeugte.

Daughters of Davis, die sich ohne ein großes Label im Rücken ihren Weg bahnen, schafften es, das Publikum nicht nur von Anfang bis Ende bei Laune zu halten, sondern die Stimmung im Laufe ihres Gigs durch ihre positive Ausstrahlung und ihre offene Art kontinuierlich zu steigern. Mit geringem Budget und minimalistischer Instrumentalisierung erreichten sie einen Unterhaltungsfaktor, der manch großem Konzert mit aufwendiger Bühnentechnik und komplizierten Choreografien nicht gelingt.

Adrienne und Fern leben übrigens immer noch auf vier Rädern. Nach dem Abschied von ihrem alten Van kauften sie sich einen Wohnwagen, der sie nun auf ihrer weiteren musikalischen Reise begleitet.

Rika Talsinn

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