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Salomon, Selbstbildnis 1940
© Charlotte Salomon Foundation

Bildergeschichte in den Tod

26. März 2015

„Charlotte Salomon. Leben? Oder Theater?“ im Museum Bochum – Kunstwandel 04/15

Das Leben ist ein Theater, Tragödien seine Lieblingsstücke. Die Jüdin Charlotte Salomon stellte sich diese Frage wohl häufig, lebte sie doch in einer Zeit, in der Komödien keine Gegenwart mehr hatten, das Leben selbst keine Bedeutung mehr und Vergangenheit schon gar keine Zukunft verhieß. Und doch, Charlotte Salomons kurze künstlerische Visite auf diesem Planeten (geboren am 16. April 1917 in Berlin, ermordet am 10. Oktober 1943 im KZ Auschwitz-Birkenau) hat einen bleibenden Eindruck und Spuren hinterlassen, die andere künstlerische Arbeiten beeinflussten und spätestens seit ihrer Präsentation auf der documenta 13 (2012) zu Recht wieder mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gelangten, als Künstlerin, die früh sehr modern ihre Biografie und das Geschehen um sie herum in eine monumentale Bildergeschichte verarbeitete.

Das Kunstmuseum Bochum zeigt gerade rund 250 Bilder aus dem Fundus der Berliner Künstlerin, der vom Jewish Historical Museum Amsterdam verwaltet wird. Das sindmehr als 1300 kleine Gouachen, die in nur fast zwei Jahren, im Exilbei den Großeltern im französischen Villefranche-sur-Mer bei Nizzaentstanden sind. Rein rechnerisch sind das mehr als zwei Arbeiten jeden Tag, jeden Tag unter der Sonne der Riviera, aber mit der existenziellen Angst unddem Druck auf der jungen Psyche. „Ich hab genug von diesem Leben, ich hab genug von dieser Zeit“ steht auf einem der kleinen Bilder, die die große Halle im Bochumer Museum nebeneinander komplett umrahmen, man läuft entlang wie in einem Comic und es ist doch ein traditionelles Singspiel. „Leben? Oder Theater?“ nennt sie die 769 Gouachen, die sie zu einem Zyklus zusammengestellt hat und die nurin die Jetztzeit gerettet wurden, weil sie sie vor ihrer Deportation einem Arzt übergeben hat. Kein Wunder, dass gleich am Eingang der Halle ihr „Der Tod und das Mädchen“ nach dem gleichnamigen Matthias-Claudius-Text hängt.

Parallel dazu hat im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier (MiR) die Uraufführung von „Charlotte Salomon: Der Tod und die Malerin“ seine Premiere gehabt. Die dortige Ballettchefin Bridget Breiner hat das Schicksal der Malerin zur Musik der US-Komponistin Michelle DiBucci choreografiert. Es ist ein Reigen der Selbstmörder, eine traurige Reihung in der Familie der Charlotte Salomon und ein Umstand, der ihr nach dem Freitod ihrer Großmutter in Frankreich erst klar wird. Viele der Gouachen handeln davon, auch das letzte in der letzten Ecke. Da sagt Charlotte zu ihrem Großvater, dass sie das Gefühl habe, „als ob man die ganze Welt wieder zusammensetzen müsste.“ Und was ist seine Antwort? „Nun nimm dir doch schon endlich das Leben.“ Es wäre eins gewesen, das sie nie richtig gehabt hat. Die Mutter stirbt früh (Suizid), der Vater heiratet eine bekannte Sängerin, in deren Gesangslehrer verliebt sie sich unglücklich, das Kunststudium bricht sie ab, nachdem ihr ein Kunstpreis verweigert wird, was sie aufrecht hält, ist ihre bemerkenswerte Malerei, nein eigentlich ist es das eindrucksvolle Gesamtkunstwerk. Leben? Oder Theater? Wir wählen die Freiheit.

„Charlotte Salomon: Leben? Oder Theater?“ | bis 22.5. | Kunstmuseum Bochum | 0234 910 42 30

„Charlotte Salomon: Der Tod und die Malerin“ | Do 23.4. 19.30 Uhr | MiR, Gelsenkirchen | 0209 409 72 00

PETER ORTMANN

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