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Bedient das Klischee nur auf den ersten Blick: Abdelkarim
Foto: Kevin Vitt

Aus Kulturen wird Kultur

26. Januar 2015

Der deutsch-marokkanische Comedian Abdelkarim am 23.1. im Bahnhof Langendreer

Würde man den in Bielefeld geborenen und heute in Duisburg lebenden Abdelkarim (33) nach seinen Stärken fragen, würde er schmunzeln. Denn er wüsste, dass seine Antwort wohl den meisten Erwartungen nicht entsprechen würde. Abdelkarim weiß zu überraschen und macht das in den letzten Jahren immer erfolgreicher.
Sein Programm „Zwischen Ghetto und Germanen“ verzichtet größtenteils auf politische Anekdoten, Querverweise zu aktuellen Debatten oder Stellungnahmen zum europäischen Rechtstrend, Islamismus oder Terrorismus. Der Stand-Up-Komiker setzt da an, wo Klischees zwischen Ethnien entstehen: Im Alltag. Die Performance gestaltete sich als eine satirische Zeitreise durch Abdelkarims Leben und als ein Spagat zwischen den Klischees, die über Kulturen kursieren.

Um 20 Uhr betrat er unter lautem Applaus und vor ausverkauftem Haus die Bühne. In lockerer und „typischer“ Streetwear – Turnschuh, Jogginghose, Lederjacke, dazu Glatze und Bart – eröffnete Karim, nachdem er sich selbst laut angekündigt hatte, die Show, indem er locker plauderte. Das Eis musste schließlich erstmal gebrochen werden und so konnte sich das Publikum nach beruhigenden Sätzen wie „Die Tasche müssen sie nicht so festhalten, ich mach nichts“, entspannen.

Der Anfang des Programms drehte sich um den Grundschulalltag des jungen Abdelkarim. „Abdelkarim klingt nicht wirklich deutsch“ – und so begab sich eine imaginäre Grundschullehrerin auf die Suche nach einem hart klingenden, arabischen Kehllaut, der sich irgendwo in diesem Namen verstecken musste, während andere Grundschüler ihn fragten, wann er denn sein erste Kamel bekommen habe.
Seine Authentizität als vermeintlicher „Ausländer“, gepaart mit perfektem Deutsch, gab dem Abend von Beginn an eine besondere Würze, die die Skurrilität von Vorurteilen offenbarte.

Die weiteren Themen gestalteten sich nicht weniger unterhaltsam. Der Comedian griff aktuelle Medienpropaganda gekonnt auf und erschuf u.a. Duisburg als „Hauptstadt Rumäniens“, in der es inzwischen nur noch „Döner mit Zigeunersauce“ gäbe. Dagegen zeigte er sich zum Thema Integration generell optimistisch: Es sei ein Fortschritt, dass die Deutschen heute ohne Vorurteile eine Hausratsversicherung bei jemandem abschließen, der Achmet hieße. Früher haben sie dagegen eine abgeschlossen, weil ihr Nachbar Achmet hieß

Abdelkarim, der den ganzen Abend gekonnt und ohne albern zu wirken verschiedene Klischees wiederspiegelte, gelang es immer wieder, universelle Themen miteinzubeziehen und zwischen den Kulturen zu vermittteln. Sein Witz über eine geheimnisvolle Sprache, die eine Gruppe Teenager in der U-Bahn sprach und welche er nach langem Rätselraten als „facebook“ entlarvte, ist nur ein Beispiel für Themen abseits von Migration.

Im Laufe des Abends hangelte sich Abdelkarim thematisch noch durch Bahnhöfe, Hauptschulen, Arbeitsämter, Bewerbungsgespräche und die Türsteherszene. Außerdem wurde die Hip Hop-Szene, durch die Veralberung bestimmter Rapzitate aufs Korn genommen und dadurch ebenso als Herd für Klischees enttarnt. Abdelkarim wirkte dabei stets selbstkritisch und versöhnlich – ohne dabei auf einer Seite zu stehen. Seine Show zeichnete sich durch ein hohes Maß an Publikumsinteraktion und den Verzicht auf Obszönitäten oder Schläge unter die Gürtellinie aus. Noch wichtiger erscheint jedoch, gerade mit Blick auf das aktuelle Zeitgeschehen die Botschaft, welche der Comedian bereits zu Beginn des Abends verkündete: „Es kann ein schöner Abend werden, wenn wir ohne Erwartungen daran gehen. Erwartungen machen viel kaputt.“ In diesem Sinne durchquerte er die Grauzone zwischen Schwarz und Weiß oder eben zwischen „Ghetto und Germanen“.

Kevin Vitt

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