Wer wissen will, wieso alte Matratzen auf keinen Fall in den Sperrmüll gehören, der muss im Dortmunder U in die sechste Etage reisen und sich die Ausstellung „Körpermaumau“ des Künstlerduos Wolfgang Winter und Berthold Hörbelt ansehen. Die verwenden nämlich für ihre Skulpturen alltägliche und industriell gefertigte Materialien wie Kunststoff und Aluminium. Eben auch diese allseits bekannten Bonnell-Federkerne aus Stahl. Diese werden der eigentlichen Nutzung enthoben und zu etwas Neuem transformiert. Das kann auch eine Bären-Plastik („Bärenarmierung“, 2014) sein, die fast sechs Meter hoch einen ganzen Raum bedrohlich füllt und nicht mehr viel mit dem Kinder-Teddy gemein hat.
Am meisten Spaß macht die Ausstellung aber, wenn man sie im Liegen betrachtet. Zwei überdimensionierte, gepolsterte Rhönräder laden förmlich dazu ein, ein schaukelnder „Röhrenbau“ (2004/2014), der auch an ihre Münsteraner Getränkekistenräume vor fast 20 Jahren erinnert. Neben der ästhetischen Betrachtung gibt es vielfach die Möglichkeit einer körperlichen Erfahrbarkeit der Skulpturen und Installationen. Ausnahme vielleicht die „Sieben Azteken als Stehaufmännchen“ (2014). Hier nutzen die beiden ausgebildeten Steinbildhauer Ton als klassisches Material, alle Keramik-Figuren kommen gebrannt aus der gleichen Form und doch sind sie nur ähnlich, nicht gleich; zwei haben beispielsweise noch das Loch im Kopf vom Herstellungsprozess. Danach wird es beim Rundgang sportlich. Bockspringen mit Badezimmerflair, Plattform balancieren und auf der „Verkehrsinsel“ (2014) aus einem quadratischen Straßenschildermosaik die Fliese mit dem Klangkontakt finden.
Wer dann noch nicht genügend artifiziell animiert ist, nutzt die Mehrfach-„Kabine Bonnell“ (2012-2014), natürlich aus den schon erwähnten Bonnell-Federkernen. Raum im Raum verwirren die Zellen die Wahrnehmung, verzerren den Blick, verwackeln die Schwerkraft-Balance mit flexiblem Untergrund. Danach hilft nur noch motorisch angetriebenes Schaukeln im „Modell für einen Pavillon“ (2014) und die Sinne pendeln sich wieder ein.
„Körpermaumau“ | bis 28.9. | Museum Ostwall im Dortmunder U | 0231 502 47 23
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wie erzählt wird
Dani Gal im Museum Ostwall
Ich glaub‘, mein Sein pfeift
Vortrag über Mensch-Tier-Beziehung in Dortmund – Spezial 06/23
Musikalischer Dadaismus
Nam June Paiks „I expose the Music“ in Dortmund – Kunstwandel 05/23
Was uns die Algen singen
Stolzer & Rütten im Dortmunder U – Ruhrkunst 05/23
„Crème de la Crème der Popkunst“
Regina Selter und Rudolf Frieling sprechen über Nam June Paik – Sammlung 04/23
Unsichtbar im Raum
Autorin Fatma Aydemir in Dortmund – Literatur 11/22
In Bildwelten tauchen
Fotosammlung Museum Ostwall trifft junge Fotobuch-Kunst – Ruhrkunst 08/22
Durch die Blume
„Flowers!“ in der Kunst ab 1900 im Dortmunder U – Ruhrkunst 06/22
Lebende Kunst in toten Museen
Kunst aus Ghana im Ostwall Museum im Dortmunder U – Kunstwandel 01/22
In der Verlängerung beginnen
Museen zwischen öffnen und schließen – Kunst in NRW 02/21
Der Mensch in Kapiteln
„Body & Soul“ im Museum Ostwall – Ruhrkunst 08/20
Mit allen Sinnen
Idan Hayosh im Dortmunder U – Ruhrkunst 02/20
Utopie und Verwüstung
„The Paradise Machine“ in Dortmund – Ruhrkunst 04/24
Ins Blaue
„Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 04/24
Intensive Blicke
Fotografin Annelise Kretschmer im MKK Dortmund – Ruhrkunst 03/24
Kultige Cover
Designagentur Hipgnosis in Oberhausen – Ruhrkunst 03/24
Unter unseren Füßen
Archäologie der Moderne im Ruhr Museum – Ruhrkunst 02/24
Diplomatie kreativ
Ingo Günther im Kunstverein Ruhr in Essen – Ruhrkunst 02/24
Ausdruck der Zeit
Expressionismus-Sammlung im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 01/24
Visionen von Gemeinschaft
„Wir ist Zukunft“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/24
Das bisschen Haushalt …
„Kochen Putzen Sorgen“ im Quadrat Bottrop – Ruhrkunst 12/23
Unorte im Fokus
„Die Stadt ist anderswo“ im Bochumer Museum unter Tage – Ruhrkunst 12/23
Konkret gemalt
„Colours and Lines in Motion“ in Gelsenkirchen – Ruhrkunst 11/23
Auf nach Phantásien!
Illustrationen zu Michael Endes Geschichten in Oberhausen – Ruhrkunst 10/23
Im Herzen des Bunkers
Marianne Berenhaut in Recklinghausen – Ruhrkunst 09/23